Das neue Geheimnis der Eruptionswinzer

Auf Basalt, Mergel und Schotter gebaut

Kategorie, Herkunft, Qualitätsstufe – die „österreichische Lösung” rund um diese Begriffe zur (W)einteilung ist historisch gewachsen und kleinteilig. Es ist eine Crux mit den Crus. Die Eruption Winzer wagen jetzt etwas Neues: Sie lassen ihre besten Rieden zertifizieren. Ein Lagebericht aus dem Vulkanland.

Der erste Kontakt kann ein rauer Händedruck sein. Auf die Rückseite der Visitenkarte ist nämlich ein Stück Schleifpapier geklebt. Die Eruption Winzer forcieren eine Kultur der Reibung. Es läuft nicht immer alles glatt. Wer das behauptet, sei nicht ehrlich, meint die Winzer-Vereinigung. Sie gründete sich 2004 „aus derselben Kraft, aus der vor Millionen Jahren diese Region entstand”, heißt es in der poetischen Selbstbeschreibung: „Aus vulkanischer Aktivität, dem Verschieben von Kontinentalplatten, dem Driften, Stoßen und Bersten.”
Neun verschiedene Vorstellungen von und Herangehensweisen an Wein treffen da aufeinander: Der eine ist in Bio-Umstellung, der andere singt ein Loblied auf Glyphosat. „Nachhaltig war mir wichtig, weil eine weiße Weste brauchen wir schon”, ergänzt der Winzer aber gleich. Es ist ein großer Tag für ihn und seine Kollegen. Die Eruption Winzer stellen etwas in der österreichischen Weinwelt bisher Einzigartiges vor. Sie lassen ihren besten Rieden zertifizieren.

Einige Jahre haben sie mit dem Kontrollunternehmen Lacon ein Punktesystem zur Lagenzertifizierung erarbeitet. Einzelne Rieden von einer externen Stelle zertifizieren zu lassen – das ist in dieser Weise neu hierzulande und durchaus beachtlich. Vollmundig werden ausländische Vorbilder für das System genannt. „Burgund und Bordeaux haben es uns, bezogen auf die Lage und auf das jeweilige Weingut vorgemacht, wir haben das nun aufgegriffen. Auch haben wir uns an den Klassifizierungen der VDP in Deutschland orientiert. Darum übernehmen wir sinngemäß die Bezeichnung ,Premier Cru’ für Erste Lage und Große Lage für ,Grand Cru’“, sagt der frankophile Winzer Josef Scharl. Zu 60 Prozent zählt die Erfahrung vom Weingut, zu 40 Prozent die Riede – also die geografische Lage des Weingartens, die Ausrichtung und Steilheit sowie die Bodenbeschaffenheit. Je steiler desto mehr Punkte. Es sollen eigene Klone nachgesetzt werden, ab dem zehnten Standjahr sind die Reben für eine Bewertung zugelassen. „Nachhaltig Austria“ müssen die Betriebe von der Lacon gleich mitkontrollieren lassen. Für etwaige biologische Bewirtschaftung gibt es fünf Zusatzpunkte.

DAC System

„Das DAC System ist eine Herkunftssicherung und eine großartige Geschichte”, finden die Steirer. Da herrscht Einigkeit, auch wenn das viele Winzer im Rest Österreichs gar nicht so sehen. Das Vertrauen in den aktuellen Fleckerlteppich scheint zu schwinden. Aber mit Kritik ist man hier zwischen den Vulkankegeln ganz richtig. „Es ist immer die konstruktive Kritik, die uns weiterbringt. Jeder sagt dem anderen, was er sich denkt. Keiner schmiert dem anderen Honig ums Maul. Allzu viel Harmonie wäre hinderlich“, sagt Stefan Müller. Er hält als frisch gewählter Vereinsobmann die Truppe zusammen. Und folgt damit Stefan Krispl nach. Was also stabil bleibt: Stefan an der Spitze bleibt Stefan. Was sich ändern soll: „Wir wollen nicht mehr als nette Winzergruppierung aus dem Vulkanland wahrgenommen werden.” Sie möchten Ecken und Kanten zeigen. Ihre Weine präsentieren sich verhältnismäßig geschliffen. Was sind also die Reibungspunkte? Einige Winzer wollen selbst bei den Lagenweinen mit Reinzuchthefen arbeiten. Man diskutiert auch: Soll man Morillon oder Chardonnay auf die Flasche schreiben? Wann verdeckt der Holzeinsatz den Schotter, den Mergel, den Rotlehm? Und Herbizidverzicht ist theoretisch eine Bedingung – die Verpflichtung betrifft aber nur die zertifizierten Lagen.

„Hier war über Jahrhunderte oft heiß umstrittenes Grenzland, davon zeugen befestigte Burgen und Schlösser auf hoch aufragenden Basaltklippen”, beschreibt es die Österreich Wein Marketing (ÖWM). Heute lässt man in Thermen die Seele baumeln und fährt von der Ölmühle Fandler, über den Vulcano-Schinken und bis zum Schoko-Schlaraffenland Zotter die Genussroute ab. Die sanft hügelige Region sei nicht so homogen wie die Südsteiermark, von der man sich abgrenzen wolle, meinen die Winzer. Als Gegenbewegung sehen sie sich nicht. „Du kannst den Namen des Voldemorts schon aussprechen”, sagt der Sommelier Gerhard Retter mit Anspielung auf die STK. Er moderiert die Verkostung und ist um keinen griffigen Sager verlegen: „Wo Eruption drauf steht, muss auch Lava drinnen sein.”

Vulkanland

Reibung erzeugt Energie. Man spürt sie bei den Eruption Winzern. Entscheidend ist jetzt, wo man sie investiert. Der Boden im Vulkanland ist ein Schatz. Aber: Boden verzeiht nicht. Über Herkunft und Bodentypen reden, reicht nicht aus. Wer Boden schmeckbar macht, muss mit und nicht gegen ihn arbeiten. Egal ob man sich zu Bio aus Kalkül und marketingstrategischen Überlegungen bekennt oder es als Lebenseinstellung versteht: An biologischen Mindeststandards führt langfristig auch im Vulkanland kein Weg vorbei. Zum Glück lautet dort die Parole: „Es ist nicht zu Ende gedacht, das wäre eine Kapitulation.” Wer weiß, vielleicht werden auch Piwi-Sorten und autochthone Rebsorten noch ein Thema. Die Ausgangslage ist gut. Gerade hier. Denn eines steht jetzt fest: Mit dieser geologischen Bedingungen lässt sich Tolles ausbauen.

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