
Sinnlos-Gesetz killt den Roten Gemischten Satz

Es klingt wie eine Posse einst auf der Bühne eines Bezirkstheaters: Der Rote Gemischte Satz ist tot. Durch eine Lösung, über die niemand glücklich zu sein scheint. Einige Winzer kämpfen nun aber dagegen an. Unsere Autorin Juliane Fischer mit einer spannenden Hintergrundstory über die Verwirrungen des österreichischen Weingesetzes.
„Gerade jetzt hätte ich drei verschiedene“, sagt Stefan Fuchs vom Weingut Steinklammer-Fuchs. Er fühlt sich auf gut Wienerisch ein bisschen gepflanzt. Seit er den elterlichen Betrieb übernommen hat, setzt sich der Winzer für den Gemischten Satz in seiner Stadt ein. Er will alles abdecken, was diese Besonderheit angeht: von klassisch bis natural, von Weiß über Rosé bis hin zu Rot. Flächenmäßig ist bei ihm ein Drittel als Gemischter Satz ausgesetzt.
Seit 31. Dezember 2020 darf die Bezeichnung „Gemischter Satz“ allerdings nur mehr bei Weißweinen verwendet werden: „Die Angabe „Gemischter Satz“ für einen Wein bei dem Rotweintrauben vermischt wurden, ist bis 31. 12 2020 zulässig”, heißt es in einer Übergangbestimmung.

Der rote Gemischte Satz ist getötet worden. Im roten Wien. Ja gibt’s denn des? Still und leise. Ist das der Wiener Hamur? Steht vielleicht bald am Roten Traubensaft Gemischter Satz? Wenn der Saft vergoren ist, darf er nun jedenfalls nicht mehr als Gemischter Satz bezeichnet werden. Auch wenn Blaufränkisch neben Blauburger, Schwarzer Riesling neben Blauem Portugieser und Cabernet Sauvignon neben Cabernet Franc nebeneinander im Weingarten stehen. Es scheint, als hätten sich da die Wiener ins eigene Fleisch geschnitten.
Wie kam es dazu? Der Legende nach forderte der ehemalige Wiener Weinbaupräsident vom Österreichischen Weinkomitee, dass sich alle Weinproduzenten in Österreich an dieselben Auflagen wie die Wiener für ihre Gemischten Sätze halten müssen. Ein verständlicher Wunsch! Für diesen DAC müssen die Trauben aus einem Wiener Weingarten kommen, der mit mindestens drei Sorten bepflanzt ist. Diese sollen gemeinsam gelesen und verarbeitet werden. Von keiner Sorte, sollen mehr als 50 Prozent enthalten sein und so weiter. Warum sollten sich die Wiener an strengere Gesetze halten und alle anderen irgendwas – zum Beispiel im Keller aus dem ganzen Weinbaugebiet Zusammengebrachtes – als Gemischten Satz verkaufen? Wo die Bezeichnung suggeriert, dass die Trauben großteils aus einem Weingarten stammen.

Geändert hat sich daran nichts. Die stimmgewichtigen Chefs einiger Großproduzenten stemmten sich im Weinkomitee erfolgreich dagegen, erzählt man sich. Sie wollten an ihrer Herstellungspraxis nichts ändern, wird vermutet. Fix ist: Die Steirer, die Niederösterreicher und die Burgenländer können theoretisch relativ flexibel einen Gemischten Satz basteln. Sofern er aus Weißweintrauben ist. Und das ist noch immer so. Die Wiener Weinbaupolitik dürfte mit ihrem Vorschlag nicht durchgekommen sein. Stattdessen kam „der Schwachsinn mit dem roten Gemischten Satz”, wie es Stefan Fuchs beschreibt. Er findet die Begründung, das Profil des Wiener Gemischten Satz zu schärfen „eh lächerlich”. „Leider durfte ich ja nie ,Wien‘ auf den roten Gemischten Satz schreiben. Der Weiße war ein Qualitätswein und der Rote war ,Wein aus Österreich’.”
Begeistert und sichtlich stolz erinnert er sich zurück wie das war vor 15 Jahren: Mit seinem Bruder hat er die jungen Setzlinge, die je im 20er-Packl aus der Rebschule kommen, in die Luft geworfen und gesagt: So bunt gemischt wie die Sorten fallen, so setzen wir sie! „Wir wussten also auch nicht, wo was ist.”

Juliane Fischer ist ein born and raised Wein- und Obstbauernkind. In einem warmen Spätsommer, rechtzeitig vor Erntebeginn in Niederösterreich, beschloss sie auf die Welt zu kommen. Seit 11 Jahren arbeitet sie als freie Journalistin und zum Ausgleich in ihrem Weingarten. Fischer studierte Literaturwissenschaft und Austrian Studies in Wien, Salzburg und Umeå, Schweden. Sie schreibt vorallem zu den Themen Kultur, Agrarpolitik und Kulinarik und – wie könnte es anders sein – über Wein.
Der Vater der beiden hatte in den Nullerjahren 21 verschiedene Rebsorten im 21. Hieb, nämlich in Stammersdorf, ausgesetzt: Von Dornfelder über Nebbiolo bis zum Shiraz. Von hier aus Floridsdorf stammt der Vater. Der zweite Teil des Weinguts kommt von der mütterlichen Familie im 23. Bezirk. „Ich glaub’ ja, die Wiener waren zu faul, zum Rausreißen und neu sortenrein auspflanzen”, sagt Fuchs-Steinklammer. Weinbau in Wien war schließlich immer kleinstrukturiert. Früher gab es viele Hobbywinzer. Auch Rotwein wurde gemischt ausgesetzt – nur bestimmt nicht so häufig.
Zwölf Sorten
„Bei uns in der Gegend hatten Bauernhäuser zwei Weingärten: einen roten und einen weißen. Dass man bestimmte Sorten ausgesetzt hat, war in den 1960er Jahren“, erzählt auch der burgenländische Kollege Willi Wohlrab. Er stößt gerade die Merlot-Maische unter, als ich anrufe. Der rote Gemischte Satz, der daneben auf das Füllen wartet, müsste einen neuen Namen tragen. „Die Sache ist haarsträubend. Es ist mir unverständlich in jeder Hinsicht!”, sagt Wohlrab. Per se findet er den Gemischten Satz natürlich schützenswert. Den Auswüchsen musste man entgegenhalten. „Wer keinen Gemischten Satz gesetzt hatte, verkaufte plötzlich einen, aber wir, die wir einen echten haben, dürfen ihn jetzt nicht mehr so titulieren”, ergänzt er. „Was legal als Gemischter Satz verkauft wird, ist oft keiner, sondern zusammengeklaubt aus unterschiedlichsten reinsortig ausgesetzten Weingärten. Das lässt das Weingesetz weiterhin zu”, schildert der Winzer. Es ist nicht das erste Mal, dass er die Weingesetzgebung heftig kritisiert und deren Praxistauglichkeit hinterfragt.

Beim kleinen Familienbetrieb der Wohlrabs wachsen in zweieinhalb Reihen 12 verschiedene Sorten. Der Eigentümer bot den Nachbargarten des Blaufränkisch damals zur Pacht an. „Das war ein richtiger Dschungel, aber ließ mich auf das Abenteuer ein, hab ich mir gesagt, ihn zurückgestutzt und kultiviert.” Die meisten Stöcke waren mit alten Nylonstrümpfen gebunden. Denn eine frühere Besitzerin arbeitete in der Strumpffabrik und nahm die Ausschussware mit. Noch etwas fiel gleich auf: „Man hat gesehen, jeder Stock schaut anders aus”, erinnert sich Wohlrab. Eine BOKU-Professorin aus dem Ort, organisierte ein Projekt, in dem vier Studierende die Sorten bestimmten. Wie ein Fleckerlteppich sieht die Grafik aus: Nur Stock 75 und 76 sind Sauvignon Blanc. Am meisten – nämlich 47 Prozent der Fläche – nimmt der Blaufränkisch ein. Von ihm gibt es in jeder Zeile ein bisschen etwas. 14 Prozent Zweigelt sind in Kaminrot eingezeichnet. Auf Platz drei kommen mit je 10 Prozent Blaue Portugieser und St.Laurent.
Die Wahrheit
Als Biobauer ist Wohlrab besonders am Jahrgangsunterschied gelegen. Jeder Wein soll das Jahr widerspiegeln und bei keinem Wein seien Unterschiede größer als beim Gemischten Satz. Tricky ist die Bestimmung des Erntezeitpunkts, denn die Reife variiert um bis zu drei Wochen. Auch das Verhältnis der Sorten zueinander schwankt, daraus ergibt sich jedes Jahr ein spannender Wein aus der Riede “Föllig”. Viele Jahre trug der Rotwein entsprechend den sinnigen Namen „föllig blau“, aber auch das wurde verboten, denn Landweine dürfen keine Riedennamen beinhalten. Als der Winzer 2012 den Wein zur Prüfnummer einreichte, wurde dieser mit der Begründung „schmeckt nicht sortentypisch” abgelehnt. Kurze Zwischenfrage: Wie soll ein Gemischter Satz sortentypisch schmecken?
„Warum muss man sich immer etwas einfallen lassen, um diese unsinnigen Vorschriften zu umgehen? Eigentlich müssten sich die Zuständigen genieren”, meint Wohlrab. Die kreative Namensfindung nervt ihn zusehends. Er lässt es jetzt drauf ankommen. „Ich schreibe einfach Gemischter Roter Satz, weil das ist die Wahrheit”, sagt er entschlossen. Jeder könne sich selbst überzeugen.

Juliane Fischer ist ein born and raised Wein- und Obstbauernkind. In einem warmen Spätsommer, rechtzeitig vor Erntebeginn in Niederösterreich, beschloss sie auf die Welt zu kommen. Seit 11 Jahren arbeitet sie als freie Journalistin und zum Ausgleich in ihrem Weingarten. Fischer studierte Literaturwissenschaft und Austrian Studies in Wien, Salzburg und Umeå, Schweden. Sie schreibt vorallem zu den Themen Kultur, Agrarpolitik und Kulinarik und – wie könnte es anders sein – über Wein.
