Florian Roßegger: Unsere Branche braucht mitreißende Persönlichkeiten
Nach einer steilen Karriere im Schloss Fuschl startet Florian Roßegger als Head Sommelier im Senns.Restaurant neu durch. Im KALK & KEGEL Interview spricht er über charismatische Kolleg:innen und wirksame Nachwuchsförderung.
Florian, du bist ab Februar neuer Head Sommelier bei Andreas Senn in Salzburg. Hast du schon einen Plan, wie du deine Position anlegen wirst?
FLORIAN ROSSEGGER: Wenn man in einem Betrieb neu anfängt, wollen viele so schnell wie möglich etwas verändern und eine eigene Handschrift hineinbekommen. Ich bin da anders. Ich möchte mir zuerst einen Überblick über die vorhandene Weinkarte verschaffen. Die ist bei Andreas sehr vielschichtig mit einer sehr guten Tiefe. Bevor ich daran etwas verändere, muss ich wissen, wie ist das Trinkverhalten der Gäste? Oder: Wo kann ich preislich noch attraktiver werden? Das braucht seine Zeit. Grundsätzlich hat jeder Wein seine Berechtigung, dennoch werde ich marginale Änderungen vornehmen. Außerdem möchte ich das Thema Jahrgangstiefe weiter forcieren und noch mehr Weine auf die Seite legen. Es gibt viele Gäste, die von einem Wein, den sie kennen, im Laufe des Abends unterschiedliche Jahrgänge kosten wollen. Wenn du dann drei, vier davon da hast, kannst du ihnen eine spannende Auswahl bieten.
Wie funktioniert das Zusammenspiel mit der Küche?
Ich bin ein Fan von variablen Weinbegleitungen und finde es schöner, wenn man die Weine dem Gast anpasst. Manche wollen nur Weiß oder nur Rot trinken, andere nur Natural oder klassische Weine. Am Ende geht es darum, dass man dem Gast das bestmögliche Erlebnis bietet, er rausgeht und geflasht ist. Natürlich muss das Weinpairing trotzdem mit dem Menü harmonieren. Der Wein steht nicht im Vordergrund, sondern rundet das Ganze elegant ab. Zudem habe ich mit Andreas Senn und seinem Küchenchef Christian Geisler selbst zwei große Weinfans an meiner Seite. Beide haben übrigens eine Sommelier Ausbildung.
- Florian Roßegger (27)
…ist Certified Sommelier by the Court of Master Sommeliers und neuer Head Sommelier im mit 2 Michelin Sternen ausgezeichneten Senns.Restaurant in Salzburg. Davor war der gebürtige Steirer Head Sommelier im Schloss Fuschl in Hof bei Salzburg und im Luxusresort Trout Point Lodge in Kanada.
Du warst mit 21 Jahren bereits stellvertretender Sommelier im Schloss Fuschl. Welche Eigenschaften braucht es, um in jungen Jahren erfolgreich zu sein?
Weinwissen kann man lernen, ebenso das Verkosten. Ich höre immer wieder von Gästen, ich hätte so einen ausgeprägten Gaumen und eine feine Nase und dass das ein Talent sei. Das glaube ich nicht. Jeder, der sich für Wein interessiert, kann sich das aneignen. Wichtig ist, dass man offen ist, nicht zu engmaschig denkt und bescheiden bleibt. Man kann von jedem etwas lernen, egal, wer einem gegenübersitzt, ob Branchenneuling oder Profi. Jeder hat seine eigenen Wein-Erfahrungen gemacht und man kann sich aus allem etwas für sich persönlich mitnehmen.

Woher kommt deine Leidenschaft für Wein?
Mein Vater war Sommelier am Arlberg und einer der ersten, der den Diplom-Sommelier gemacht hat. Während meiner Zeit in der Tourismusschule Bad Gleichberg habe ich dann bereits die Jungsommelierausbildung absolviert. Nach dem Bundesheer wollte ich nach Graz zum Studieren, dazwischen aber noch arbeiten. Ich bin durch Zufall im Schloss Fuschl gelandet, dort habe ich zu Schulzeiten schon ein Praktikum gemacht. Ich habe zuerst im Schwesternhotel, dem Jagdhof, gearbeitet und den damaligen Sommelier Martin Kern kennengelernt. Er hat mich schließlich ins Schloss vermittelt. Nach seinem Abgang hat Dr. Eugen Lamprecht seine Position übernommen und mich unter seine Fittiche genommen. Eugen hat sehr viele Trainings und Schulungen organisiert und zahlreiche Winzer ins Haus geholt. So wie er das damals gelebt und die Mitarbeiter begeistert hat, war das schon einmalig. Er hat jeden abgeholt, egal auf welchem Wissensstand er war, war dabei aber nie belehrend, sondern hat uns gecoached. Zu seinen Trainings haben sich Mitarbeiter aus allen Abteilungen angemeldet, vom Housekeeping bis zur Technik. Jeder, der etwas über Wein lernen wollte, ist gekommen.
Du warst in der Folge dann sein Stellvertreter.
Das stimmt. Durch ihn habe ich auch den Diplomsommelier gemacht. Als er im Schloss Fuschl aufgehört hat, hat er mir den Weg geebnet und ich habe seinen Posten übernommen. Das war damals sowohl von ihm als auch vom Betrieb ein großer Vertrauensvorschuss. Rückblickend war Eugen ein großer Förderer und Mentor für mich.
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Hast du heute auch noch andere Vorbilder? Wer inspiriert dich?
Ich denke, jeder von uns hat Leute, die er respektiert und bewundert, aber ich finde es wichtig, dass man seinen eigenen Weg geht. Natürlich kann man gewisse Dinge von anderen aufgreifen, aber man sollte niemanden kopieren, sondern immer schauen, was zu einem selber passt. Wenn ich trotzdem einen Namen nennen soll, dann wäre das Alex Koblinger. Er hat eine tolle Persönlichkeit, ist zurückhaltend und ehrlich. Und er schafft es, die Leute mit dem, was er macht, zu packen und zu begeistern. Damit ist er, denke ich, ein Vorbild für viele von uns.
Du warst ein Jahr in Kanada. Wie unterscheidet sich die dortige Servicekultur von unserer?
Das Service in Kanada ist darauf ausgelegt, Trinkgeld zu bekommen. Die Leute sind freundlich, nett, teilweise auch engagiert, aber man merkt, dass sie ihre Arbeit in erster Linie deshalb machen, um Geld zu verdienen. Bei uns in Österreich wird Service gelebt, die Leute machen das aus einer Freude heraus. Weintechnisch kennen sich die Kanadier mit ihren eigenen Weinen aus und mit kalifornischen, vielleicht auch noch mit italienischen, aber dann war’s das. Als ich in meiner Position als Sommelier den ersten Wein eingekauft habe, war das ein Grüner Veltliner vom Loimer, den kannten sie nicht. Der Wein war der meisterverkaufte der Saison.

Lag das vielleicht auch an deiner Person?
Die Kanadier sind sehr offen was Wein betrifft. Aber natürlich hängt es auch immer damit zusammen, wie man als Sommelier am Gast agiert und mit welcher Leidenschaft man den Wein verkauft. Wenn du den Wein gut rüberbringst, dann holst du den Gast ab, noch bevor er ihn probiert hat. Ein guter Sommelier ist zurückhaltend, aber nicht unterwürfig, und er kommuniziert niemals von oben herab, sondern immer auf Augenhöhe.
Die Branche kämpft mit Personalmangel. Wie kann man die Gastro auch für die Jungen attraktiv machen?
Man muss ihnen mehr Wertschätzung zeigen. Zum einen über fair geregelte Arbeitszeiten. In unserer Branche werden Überstunden immer noch als normal angesehen. Zum anderen braucht es Gehälter, die über den Kollektivvertrag hinausgehen. Wir haben überall gute Leute, die müssen wir halten, begeistern und fördern. Wir müssen uns aber auch innerhalb der Sommelerie an der Nase nehmen und aufhören, nur an das eigene Wohlbefinden zu denken. Das Konkurrenzdenken muss aufhören, stattdessen sollten wir uns gegenseitig unterstützen. Wir haben alle das gleiche Ziel, nämlich unsere Begeisterung für Wein weiterzugeben – an den Gast, aber auch an den Nachwuchs.
www.senns.restaurant