Gault&Millau Sommelière des Jahres: “Was sich Oslo und New York von uns abschauen können”

Helana Jorden ist Gault&Millau Sommelière des Jahres 2024. Im Interview mit KALK&KEGEL spricht sie über Aufgaben und Verantwortung der Sommelerie und warum sie in St. Valentin mehr bewegen kann als in Wien.
Das 10.000 Einwohner Städtchen St. Valentin im Mostviertel ist seit ein paar Monaten neuer Hotspot für Weinfans. Denn seit Helena Jordan ihr „Café Capra“ eröffnet hat – ein Daydrinking Weinbistro – ist hier einiges los. Und das dürfte jetzt noch einmal mehr werden: Der Gault&Millau kürte die Spitzengastronomin nämlich zur „Sommelière des Jahres 2024“. Ein Titel, der auch eine gewisse Verantwortung mit sich bringt, wie Helena meint…
Gratulation zur Auszeichnung! Welchen Wein empfiehlst du zum Anstoßen?
HELENA JORDAN: Champagner! Obwohl – lass uns einen Pet Nat aufreißen. Wir feiern ja einen österreichischen Titel.
Die Weinkarte in deinem Lokal umfasst rund 120 Positionen, 80 Prozent aus Österreich. Wie wichtig ist dir das Abbilden der heimischen Weine?
Sehr wichtig. Viele der Winzerinnen und Winzer, die wir auf der Karte haben, sind internationale Stars, aber am Heimatmarkt noch immer Geheimtipps. Mir liegt das am Herzen mitzuhelfen, dass diese Weine auch in Österreich mehr getrunken werden. Generell kenne ich aber kein Scheuklappen-Denken. Neben den österreichischen Weinen, finden sich bei mir noch viele Positionen aus Italien und ein paar aus Frankreich und Spanien.
Du warst lange Zeit im Ausland tätig und dort in sehr renommierten Betrieben wie in New York im „Blue Hill at Stone Barns“ mit 2 Michelin Sternen oder in Oslo im 3-Sterner Maaemo. Ist die Welt dann nicht sehr klein, wenn man zurück kommt?
Überhaupt nicht. Als ich 2020 nach vier Jahren im Ausland heimkehrte, war ich bei Juan Amador tätig (Anm.: 3 Michelin Sterne, Wien). Das ist natürlich ein internationaler Gourmet-Hotspot in Wien. Und eigentlich ist das Gegenteil der Fall: Wenn man weit weg ist von zuhause, wird der Blick auf die Heimat geschärft. Wir haben in Österreich eine fantastische Trinkkultur. Da können sich New York und Oslo etwas abschauen von uns.

Und was können wir uns von New York und Oslo abschauen?
Die Offenheit, was Neues betrifft. Unsere Weinkultur bedingt, dass die meisten mit Wein in Kontakt gekommen sind oder auch schon einmal in einer Weinregion waren. Da bekommt man schnell mal eine vorgefertigte Meinung, wie etwas zu schmecken hat. Auf Neues lassen sich die Österreicherinnen und Österreicher nicht so schnell ein. Damit ist vielleicht auch zu erklären, warum Naturwein-Winzerinnen und -Winzer international mehr Erfolg haben als in Österreich. Noch zumindest. Denn da ist einiges im Wandel.
Wie bringst du deinen Gästen diese Offenheit bei?
Ich bringe ihnen gar nichts bei, will auch niemanden bekehren. Ein Missverständnis einer alten Sommelerie ist es, den Gästen seinen Geschmack aufdrängen zu wollen. Das führt nur zu Frust auf beiden Seiten. Ja Fachwissen ist wichtig in unserer Branche, aber ebenso – wenn nicht sogar mehr – zählt ein Gespür für die Gäste. Wir müssen genau hinhören, was sie wollen und sie bitte nicht mit einem Master-Sommelier-Sprech quälen. Es geht darum, Vertrauen zu gewinnen und mit seinen Gästen eine Reise anzutreten, deren Ziel noch unbekannt ist.

Wäre das in einer Stadt wie Wien nicht einfacher gewesen als in St. Valentin?
Ich bin ein großer Fan der tollen Weinbars in Wien – eine super Szene. Ich wollte das aber nicht nachmachen und die nächste Weinbar in Wien eröffnen. Mir gefällt das Leben hier in St. Valentin und ich merke, wie begeistert die Menschen sind, wenn sie zu mir kommen. Ich habe junge Gäste, die ich zu einem ganz neuen Weinverständnis führen kann. Das macht wirklich Spaß und ich sehe es auch als Verantwortung, eine hohe Qualität in die regionale Trinkkultur einzubringen.
Du warst Top-Sommelière in den Sternerestaurants und führst jetzt ein Lokal, in dem es vor allem um Wein geht. Warum hast du es Café genannt?
Ich wollte immer eine Daydrinking-Bar machen. Als Weinbar solltest du aber abends geöffnet haben und Weinbistro fand ich auch nicht passend. Mir gefällt die Idee sehr gut der französischen oder italienischen Cafés, in denen du einen hervorragenden Kaffee bekommst, aber auch super Wein und tolle Kleinigkeiten zu essen. Und genau das konnte ich mir nun verwirklichen.
www.capra.at
www.gaultmillau.at
Helena Jordan bei den KALK&KEGEL Boost Workshops in Salzburg
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