Personal-Managerin: Was wir jetzt verändern müssen

Personal Managerin: “Zu viele Mitarbeiter:innen sind gefangen in unnötigen Strukturen”

Anna Haumer: Die Personal Koordinatorin des Zoku Hotels Vienna geht mit der Branche hart ins Gericht – viele Probleme seien hausgemacht.

Sie war Österreichs jüngste Sterneköchin, studierte Human Resource Management an der FH Wien und ist jetzt Personal-Koordinatorin im Zoku Hotel in Wien: Im Interview erzählt Anna Haumer, warum flexible Rollen wichtig sind, um den Fachkräftemangel entgegenzuwirken und was es braucht, damit sich Mitarbeiter:innen als Teil des großen Ganzen fühlen.

Anna, du bist der Meinung, dass das schlechte Personalmanagement in der Gastronomie einer der Auslöser für den Fachkräftemangel ist. Welche Erfahrung hast du in diesem Bereich gemacht?
ANNA HAUMER: Das einschneidendste Erlebnis hatte ich während meiner Zeit bei einem Dreisterner in Belgien. Dort sind die Leute gefangen in einer Struktur, in der man sich weder weiterentwickeln, noch seine Stärken nutzen kann. Jeder Punkt am Teller wird abgemessen, alles ist genau vorgegeben. Das wird ab einem gewissen Grad schon irgendwie Sinn machen, um sicherzustellen, dass das Ergebnis immer das gleiche ist. Gleichzeitig verlierst du aber den Glauben an deine Fähigkeiten. Ich bin dort rausgegangen und hatte das Gefühl, dass ich nicht einmal mehr Spaghetti kochen kann. Wir Menschen streben nach Verantwortung, wollen in Freiheit leben und uns weiterentwickeln. Und dann hast du eine Unternehmenskultur, in der du nur als auszuführendes Objekt gesehen wirst, ganz nach dem Taylorismus. Ich war immer erfolgreich in dem, was ich gemacht habe, habe aber nie den Sinn dahinter gesehen – vor allem, weil du als Köchin sehr selten direkten Gästekontakt hast und damit nie das Resultat deiner Arbeit siehst.

  • Anna Haumer
    Anna Haumer ist studierte Personalmanagerin und HR Coordinator im Zoku in Wien. Von Zeit zu Zeit begibt sie sich auf kulinarische Wanderschaft, um gemeinsam mit ihrem Partner Valentin Gruber-Kalteis als „Kochnomaden“ an den verschiedensten Orten zu kochen. 2018 wurde Anna als jüngste und einzige Guide Michelin Sterneköchin in Österreich ausgezeichnet. Damals war sie Executive Chef im Wiener Blue Mustard.

Hat sich das mittlerweile geändert?
ANNA HAUMER: Die Erkenntnis, dass es auch anders geht, kam bei Andreas Caminada. Dort arbeiten die Leute teils über Jahre und haben eine viel stärkere Bindung und Identifikation mit dem Unternehmen.

Zoku Vienna: Das flexible Home/Office Hybrid Hotel in Wien. Weitere Standorte gibt es in Amsterdam und Kopenhagen. Michael Pöcheim-Pech

Worauf führst du das zurück?
ANNA HAUMER: Es ist immer eine Sache der Kultur, wie man miteinander umgeht, wie sich Menschen verhalten, wie man ein Unternehmen führt. Caminada hat das erkannt. Dadurch schafft er es, die Leute zu halten und den Teamzusammenhalt zu fördern.

Als Executive Chefs im Blue Mustard seid ihr – dein Partner Valentin und du – dann bewusst einen anderen Weg gegangen.
ANNA HAUMER: Richtig. Wir haben innerhalb eines Jahres einen Stern bekommen und ich führe das auch darauf zurück, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitentscheiden konnten. Es macht was mit dir, wenn du nicht permanent jemanden im Genick hast, der alles kontrolliert. Für uns hat es sich ganz natürlich angefühlt, unseren Leuten Freiheiten und Verantwortung einzuräumen. Ohne HR-Backgroundwissen stehst du aber trotzdem irgendwann an. Also bin ich studieren gegangen. Ich wollte das Gefühl haben, dass ich etwas am Hotellerie- und Gastronomiesystem verändern kann.

Weiterentwicklung

Du bist aktuell HR Coordinator in einer sogenannten „purpose-driven organization“, dem Home-Office-Hybrid Zoku in Wien. Was bedeutet „purpose-driven“?
ANNA HAUMER: Das heißt übersetzt, dass wir eine sinnstiftende Unternehmenskultur haben. Die Bedürfnisse, Partizipation und Weiterentwicklung der Mitarbeiter:innen stehen über der Gewinnmaximierung.

Wie äußerst sich das konkret?
ANNA HAUMER: Unsere Unternehmenskultur basiert auf fünf Werten und eigentlich auch auf der Theorie von Frederic Laloux der Selbstführung, Ganzheitlichkeit und des evolutionären Sinns. Wobei ich dazu sagen muss, dass das nicht bewusst so aufgebaut wurde, sondern Themen wie Arbeitsatmosphäre, Wertschätzung und Teambonding schon immer eine große Rolle gespielt haben. Kultur kann man nicht einfach anordnen, sie entsteht selbständig. Erst durch meine Recherchen auf der Fachhochschule sind wir draufgekommen, welche Theorie hinter unserer Arbeitsweise steckt. 

Große Branchenkenntnis: 2018 war Anna Haumer jüngste Sterneköchin in Österreich. Mit ihrem Partner Valentin Gruber-Kalteis ist sie unter dem Namen “Kochnomaden” noch immer kulinarisch tätig. Michael Pöcheim-Pech

Was bedeuten diese drei Säulen?
ANNA HAUMER: Selbstführung bedeutet, dass wir in Teams mit flexiblen Rollen arbeiten, die teilautonom agieren. Die Führungskraft hat eine Coachingrolle und ist Unterstützer, sodass Mitarbeiter:innen Dinge selbst verändern können, um Verantwortung für das ganze Unternehmen zu übernehmen. Ganzheitlichkeit heißt, dass jeder er selbst sein kann. Niemand wird in eine Rolle gepresst, in der er oder sie nicht sein möchte. Durch den Unternehmenswert „Take Care“ setzen wir Wertschätzungsmaßnahmen. Evolutionärer Sinn heißt, dass das Unternehmen ständig in der Entwicklung ist, wir flexibel Entscheidungen treffen und die Mitarbeiter:innen dazu beitragen. Wir haben das mit dem Unternehmenswert „Always BETA“ umgesetzt. Dabei legen wir auch Wert auf die Bildung eines unternehmensübergreifenden Netzwerkes, sprich andere Unternehmen werden nicht als Konkurrenz gesehen.

Mir ist aufgefallen, dass es im Zoku keinen klassischen Front Office Bereich gibt.
ANNA HAUMER: Das stimmt. Wir sind B Corp zertifiziert, also eines der ersten Hotels überhaupt, das nicht nur ökologische Nachhaltigkeitsziele verfolgt, sondern auch soziale und ökonomische, die das Gemeinwohl im Fokus haben. Eines unserer Ziele ist es, jeden Quadratmeter so effizient und flexibel wie möglich zu nutzen und keine „Leerflächen“ zu haben, die besonders in Städten nicht nachhaltig sind. Eine Lobby ist grundsätzlich entbehrlich, weil dort in Wahrheit nichts passiert. Bei uns arbeiten alle auf einem Floor, dem Social Space im obersten Stockwerk des Gebäudes; dort, wo sich auch der Co-Working Bereich, das Restaurant und die Bar für die Gäste befinden.

Wer empfängt dann bei euch die Gäste?
ANNA HAUMER: Das machen unsere „Sidekicks“. Das sind Mitarbeiter:innen, die abwechselnd im Front Office, an der Bar und im Service arbeiten. Der Job bleibt dadurch spannend, außerdem ist man wesentlich häufiger im direkten Kontakt mit Gästen. Für uns als Arbeitgeber bedeutet das wiederum, dass jeder alles kann. Fällt einer aus, macht die Arbeit ein anderer. Außerdem werden unsere Mitarbeiter:innen von den Gästen wieder als Gastgeber:innen gesehen, nicht nur als Arbeitskraft.

Das Konzept der Zoku Hotels vereint eine urbane Hotellerie mit allen Vorzügen eines privaten Wohn- oder Officebereichs. Michael Pöcheim-Pech

Inwieweit kann eine sinnstiftende Unternehmenskultur nun den Fachkräftemangel beeinflussen?
ANNA HAUMER: Die Menschen hatten in den letzten Jahren extrem viel Zeit über ihr Leben nachzudenken und Sachen zu hinterfragen. Fehlt es im Job an Sinnquellen, dann wird man keine Arbeitszufriedenheit verspüren und es gibt auch keine Identifikation mit den Unternehmenswerten. Zoku ist für unsere Mitarbeiter:innen wie ein zweites Zuhause; selbst wer nicht mehr bei uns arbeitet, kommt immer wieder gerne vorbei.

Was würdest du Gastronom:innen, Hoteliers und Hotelières raten, die ihr Personalmanagement nach diesem Interview jetzt anders angehen möchten?
ANNA HAUMER: Für einen Kulturwandel brauchst du in erster Linie Mitarbeiter:innen, die das mittragen. Und eine Personalverantwortliche bzw. einen Personalverantwortlichen, die bzw. der Erfahrung mit sinnstiftender Unternehmenskultur hat und sich Gedanken darüber macht, wohin die Reise gehen soll. Wichtig ist auch, dass man klassische Rollen und Mitarbeiterführung überdenkt und seinen Mitarbeiter:innen mehr Verantwortung überträgt und Wertschätzung zeigt. Und man sollte Unternehmenswerte definieren, die aber nur dann eine Richtung vorgeben können, wenn sie mit dem Verhalten des Betriebes und der Mitarbeiter:innen übereinstimmen, Stichwort Value Alignment. Wir stehen jederzeit für einen Austausch zur Verfügung, denn auch das macht eine purpose-driven organization aus: Erfahrungen zu teilen und andere Unternehmen zu inspirieren.

www.livezoku.com/vienna

Newsletter

Du willst noch näher dran sein?
Dann werde Teil unserer Community und verpasse keine Neuigkeit mehr

Jetzt anmelden

0
    0
    Bestellung
    Der Warenkorb ist leer.zurück zum Shop