Empathie zählt mehr als Fachwissen

Sommelier Marco Franzelin über die Stärken und Schwächen der Branche.

Wir brauchen mehr gegenseitigen Austausch

Der Feinschmecker und auch Gault&Millau kürten ihn bereits zum “Sommelier des Jahres”: Marco Franzelin begeistert mit traumwandlerischer Sicherheit – Gäste,  Kollegen und Presse. Im Interview mit KALK & KEGEL spart er aber auch nicht mit Kritik an der eigenen Zunft.

Gault&Millau Deutschland kürte Marco Franzelin im Vorjahr zum “Sommelier des Jahres”. Der Feinschmecker verlieh die selbe Auszeichnung in diesem Jahr. Sebastian Drolshagen

Du giltst als einer der besten Sommeliers im deutschsprachigen Raum. Was macht einen guten, beziehungsweise Dich als Sommelier aus?
MARCO FRANZELIN: Mir ist es am wichtigsten die Signale des Gastes zu verstehen. Diese musst du lesen können. Und wissen, was er meint. Wenn jemand bei mir zum Beispiel einen leichten, vollmundigen, trockenen Rotwein bestellt, dann bringe ich ihm eine Flasche Zinfandel. Denn was der Gast damit eigentlich sagen will ist, dass er keine Tannine mag. Und fruchtig gut findet. Sich selbst zurücknehmen und die Aussagen richtig interpretieren, das macht einen guten Sommelier für mich aus.

Wie gut ist die Sommelerie in Deutschland?
MARCO FRANZELIN: Wir haben sehr viele sehr gut ausgebildete Leute in der Branche. Der Wissensstand ist hoch. Nur der Zusammenhalt und der Austauschich finde – das ist noch ausbaufähig. Mit René Antrag und Steve Breitzke tausche ich mich seit meiner Zeit in Österreich immer noch regelmäßig aus. Wir haben eine eigene WhatsApp-Gruppe. Wenn uns etwas gefällt, dann posten wir es. Und wenn wir es dann alle drei auf der Karte haben, finde ich daran nichts Schlimmes. Es gibt bei uns keinen Neid. Wir gewinnen viel mehr durch das, was wir uns gegenseitig zeigen. Ich denke da könnte und sollte sich in Deutschland noch einiges tun.

Reger Austausch mit den Kollegen aus Wien: René Antrag,Steve Breitzke und Matthias Pitra.

Damit dann alle die gleichen Weine auf der Karte haben?
MARCO FRANZELIN: Auf keinen Fall, sondern um unseren Beruf aufzuwerten. Ich wechsle die Weinbegleitung jede Woche, obwohl sich das Menü nur quartalsweise ändert. Wir sind das unseren Gästen schuldig, ihnen die bestmögliche Erfahrung an Essen, Ambiente und eben Wein zu bieten. Das gehört zusammen und ist nicht an einer Flasche Wein festzumachen. Daher spreche ich auch immer nur von unserem Weinkeller und unserer Küche. Weil es das ist: Unseres – für das wir alle gemeinsam arbeiten. Die Flasche Wein ist nur ein Teil der gesamten Erfahrung.

Und der Rest? Was macht die Branche aus?
MARCO FRANZELIN: Ich finde den Austausch untereinander sehr wichtig. Ganz gleich ob man in Deutschland oder in Österreich ist. Und du musst am Gast sein. Ihm zuhören. Es bringt mir nichts, wenn ich weiß, dass es 16 Sub-Areas in Napa gibt. Und dem Gast schon überhaupt nichts. Wenn ich zwar als Top-Sommelier gelte, aber seit 18 Jahren nicht mehr am Tisch gestanden habe, dann finde ich das schlichtweg nicht realistisch. Ein guter Sommelier ist am Gast und setzt sein Können dafür ein, damit dieser insgesamt eine unvergesslich schöne Erfahrung macht. Das Vendôme ist ein Paket mit dem wir insgesamt viel Freude bereiten können. So sehe ich es.

Konsequenz

Wie schafft man es bis dorthin wo du heute bist?
MARCO FRANZELIN: Rezept gibt es da denke ich keines. In meinem Fall habe ich eine Koch-Kellner-Lehre gemacht. Damals im Restaurant Hanner in Mayerling bei Wien. Ich hatte das Glück schon relativ früh Verantwortung für den Keller zu bekommen und Leute zur Seite zu haben, die mich unterstützen. Bei Heinz Hanner war das zum Beispiel Gerhard Retter. Später auch Thomas Sommer, Markus Berlinghof und viele weitere. Wobei ich auch eine Menge Fehler gemacht habe. Daraus lernt man und aus dem Kontakt mit dem Gast. Da schließt sich für mich der Kreis. Und man muss seinen Weg konsequent durchziehen. Zu dem stehen, was man tut.

Kannst du das anhand eines Beispiels erklären?
MARCO FRANZELIN: Meine erste Weinbegleitung als ich zu Joachim Wissler ins Vendôme kam. Ich habe eine reine Weißweinbegleitung zusammengestellt, weil die Gerichte das verlangt haben. Und Herr Wissler fragte mich: „Und was ist, wenn ich Rotwein will?“ Ich kam ins Stocken und fragte, wo ich denn einen Rotwein einbauen sollte. Herr Wissler entgegnete: „Herr Franzelin, wenn Sie eine Weinbegleitung machen, dann müssen Sie dahinter stehen. Ich tue es nicht.“ Auch wenn das vielleicht seltsam klingt, aber das gibt mir eine ungeheure Leichtigkeit. Ich muss mich schon im Rahmen des Vendôme bewegen, der Rest aber, liegt ganz bei mir, solange ich dahinter stehe.

Und wie kann man sich jetzt so eine Weinbegleitung à la Franzelin vorstellen?
MARCO FRANZELIN: Wir bieten zu zehn Gängen, zehn Getränke. Da ist es extrem wichtig, den Spannungsbogen richtig zu zeichnen. Das heißt nicht, dass die Weine aufbauend sein müssen. Aber es dürfen nicht nur fordernde Weine dabei sein. Erst mit ein paar entschleunigenden Weinen wird es rund. Andernfalls ist der Gast am Ende überreizt. Dabei variiere ich jede Woche. Einmal gibt es zur Gänseleber ganz klassisch einen Riesling Kabinett dazu. Die Woche darauf  einen maischevergorenen Muskateller, der mit dem Zitronengel am Teller harmoniert.

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