Zu Besuch bei René Redzepi in Kyoto

Zu Besuch bei René Redzepi in Kyoto: Jammern auf hohem Niveau

© Jürgen Schmücking

Von März bis Mai eröffnete René Redzepi ein vielbeachtetes Pop-Up seines noma in Kyoto. Unser Autor Jürgen Schmücking war vor Ort und sagt: Jammern auf hohem Niveau.

Es war ein ziemlich lauter Knall. Ein paar Worte, vielleicht unbedacht in Bezug auf ihre Wirkung und die Konsequenzen, die die Branche erschüttert haben. René Redzepi “sperrt das noma” zu und verkündet das Ende des fine dining. Das hat gesessen. Wer Redzepi und die Art, wie er denkt und handelt kennt, weiss, dass von “Zusperren” keine Rede ist. Der Mann und sein Team haben alles erreicht, was man in der Top-Liga erreichen kann. Was genau, braucht hier nicht aufgezählt werden. Mit seiner Entscheidung ebnet Redzepi nur den Weg für das, was er mit dem noma schon immer gemacht hat. Sich selbst neu erfinden. Immer wieder. Und damit der Zeit immer wieder auch einen Schritt voraus sein. Das Kyoto-Projekt zeigt einen der möglichen Wege.

© Jürgen Schmücking

Das noma Pop-Up in Kyoto ist nicht das erste Japan-Projekt der Dänen. Vor ein paar Jahren gab es den ersten Auftritt in Tokio. Wie wohltuend anders ist aber Kyoto. Die alte Kaiserstadt wurde im zweiten Weltkrieg großteils von alliierten Bomben verschont. Deshalb gibt es reichlich alte und intakte Gebäude. Sprich alten, bezaubernden Flair. Im Grunde ähnelt Kyoto ein wenig Kopenhagen. Und auch hier radelt Redezpi täglich in sein Restaurant.

© Jürgen Schmücking

Kommen wir zum Punkt. Das noma in Kyoto befindet sich in einem der oberen Etagen des ACE-Hotels. Ein modernes, stylisches Hotel, einer internationalen Kette zugehörig. Architektonisch nicht uninteressant, aber eigentlich eine seelenlose Bettenburg. Um ins noma zu gelangen, steigt mein ein paar Treppen hoch. Muscheln, getrocknete Blätter, Algen weisen den Weg. Auch im Restaurant selbst. Von der Decke hängt, dramatisch (und gut) in Szene gesetzt, ein Wald aus Kombu-Algen. Wir nehmen am Tisch unmittelbar neben der Küche platz. Der Tisch gewährt Einblick in die Küche und ist leicht abgelegen, sprich ruhig. Die Show beginnt.

Zum Einstieg stellt der Service Hassun ein. Eine Reihe von – wir würden sagen – amuse gueules, die ganz gut zeigen, in welche Richtung das Menü gehen wird. Eine Hommage an die kulinarische Fülle des Frühlings in Japan und an die Philosophie der Kaiseki-Küche. Hassun ist der klassische Kaiseki-Einstieg. Eine Reflektion über die Zeit und den Ort. Trotz aller Regionalität ist es ein Menü, das kristallklar die DNA des Noma trägt. Eine Schüssel mit wildem Gemüse, das auf Sojamilchhaut angerichtet wird, ein fermentiertes Kirschblatt (wir sind mitten in der Sakura-Saison in Kyoto, der Zeit, in der die Japanerinnen und Japaner dem Kirschblütenwahnsinn verfallen.) mit schwarzem Knoblauch. Shabu Shabu, Japans Variante unseres Fondues. Redzepi hat sich für Algen entschieden. Mekabu, ein Wakami-basiertes Dashi, brodelnd serviert, dazu junge Kombu-Algen aus Hokkaido und ein paar andere Algen. Zieht man sie durchs heisse Dashi, ändern sie sofort Farbe und Textur. Großartig. Vor allem mit dem Wasabi-Ponzu-Dip. In Kyoto wird im Noma übrigens kein Fleisch serviert. Rauchiger Hummer mit Sanchoblättern, Sansai (wildes Berggemüse) oder ein grandioser Schwertfischbauch in unglaublich intensiver Kombu-Beurre blanc.

© Jürgen Schmücking

Es ist die grundlegende Herangehensweise des noma, intensive Forschung und Recherche über die kulinarischen Grundlagen einer Region zu betreiben, um dann damit zu arbeiten. Bei den meisten Gerichten des Kyoto-Menüs funktioniert das auch wunderbar. Nicht bei allen. Der Lotuswurzel etwa wird in eine Gewürzpaste verpasst. Dann wird sie gegrillt. Den Geschmack kennt man bereits aus der letzten forest/game-Season in Kopenhagen. Beim Lotusgericht reduziert der intensive Mantel den Lotus auf seine Textur. Die filigrane Feinheit geht dadurch verloren. Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau.

© Jürgen Schmücking

Überhaupt nichts zu meckern gibt es in Sachen pairing. Head Somm Ava Mees List verbrachte Wochen im Land und besuchte jede und jeden, der Drinks produziert, die vermeintlich ins, bzw. zum Nomamenü passen. Volltreffer durch die Bank. Natural Sake Zampano Terade Honke, ein eigenes Bier, das gemeinsam mit der Yorocco Beer Brewery in Kamakura gebraut wurde. Und ein sensationeller Whisky in Fassstärke, um die Sache quasi abzurunden: Kanosuke Single Malt aus Kagoshima. Über den müssen wir noch einmal extra reden…

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