Schönberger: Deklarationspflicht für alle Weine mit künstlichen Zusatzstoffen
Denken wir um, sagt Günther Schönberger. Bio und biodynamisch sollte selbstverständlich sein und alles andere, „künstliche“ dagegen am Etikett ausgewiesen werden. Hier sein Kommentar.
Keiner will sie, jeder hat sie: Schubladen. Im Kasten und im Kopf. Menschen brauchen offensichtlich Schubladen und Labels. Sie dienen uns als Kompass, helfen uns zu sortieren und in Systemen Gleichgesinnte zu finden.
Aber wie funktioniert das bei Nischenprodukten? Biodynamischer Wein, ob als Orange- oder Naturwein bezeichnet – besetzt per se eine Nische und vereint in ihr Gleichgesinnte. Also wieder Label, wieder eine Schublade. Passt die Natur da überhaupt rein? Für mich funktioniert die Kategorisierung „Naturwein“ nicht, weil Wein immer Kultur bedeutet. Alles, was der Rebstock will, ist wachsen. Wein hervorzubringen, interessiert die Rebe nicht.
Seit Jahrtausenden ist es der Mensch, der den Wein kultiviert, nicht die Natur. Deshalb sollte Wein meiner Meinung nach einfach nur „Wein“ sein dürfen und gut sein. Das bedeutet keinesfalls, dass alle Weine gleich schmecken sollen! Wer nicht schubladisiert, ist flexibler, um die Unterschiede zu feiern und neuen, vinophilen Erfahrungen offen gegenüberzutreten.
Müssen also biodynamische Winzer:innen und biologisch arbeitende Landwirt:innen ihre Erzeugnisse wirklich weiterhin deklarieren? Wäre es nicht der Allgemeinheit dienlich, wenn jene Produkte einer täuschungsfreien Deklarationspflicht unterlägen, die künstliche Zusatzstoffe beinhalten und nicht biologischem bzw. biodynamischem Ursprungs sind? Sollte nicht Bio das „Normal“ (Achtung, Schublade!) und alles künstlich Erzeugte nonkonformistisch sein? Bis wir so weit sind, sind Sommeliers und Servicekräfte auch weiterhin gefordert als direkte Schnittstelle zum Gast Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit zu leisten – für Wein als „Wein“ und für (mehr) Offenheit gegenüber neuen Geschmäckern.
*Aufgezeichnet von unserer Autorin Tina Veit-Fuchs