Daniel Schicker: Gault&Millau Sommelier des Jahres im Interview

Sommelier des Jahres: Uns fehlen die alten Granden

Daniel Schicker: Seit Ende 2017 sorgt er im OIS im Mühltalhof für eine der spannendsten Weinperformances Österreichs. Andreas Balon

Daniel Schicker aus dem OIS im Mühltalhof ist der neue Gault&Millau Sommelier des Jahres. Im Interview spricht er über Sinn und Unsinn von Ausbildung, Trends auf Weinkarten und die Herausforderungen der Branche.

Lieber Daniel, Gratulation zur Auszeichnung! Was reißt du auf zur Feier des Tages?
DANIEL SCHICKER: Zunächst einmal Danke. Ich bin wirklich überwältigt, weil ich ja weiß, wer die Preisträge vor mir gewesen sind. Meinen Namen in einer Liste neben Christian Zach, Simon Schubert, René Antrag oder Josef Neulinger zu lesen, ist schon etwas ganz Besonderes. Und was den Wein betrifft: Wir starten mit Champagner, ich liebe Ulysse Collin. Da wird es wohl Pierrieres 2014 werden. Und dann ein Fläschchen Sgaminegg 2013 von Sepp Muster.

In wie weit dürfen denn persönliche Präferenzen eine Rolle spielen in der Arbeit als Sommelier?
DANIEL SCHICKER: Die kannst du ja gar nicht ausblenden. Natürlich muss man sich an die Philosophie des Restaurants und an dessen Gäste anpassen. Das heißt auch manchmal das Ego zurückschrauben. Aber ganz ehrlich: Gastronomie lebt doch von Persönlichkeit und wenn ich das weitergeben kann, was ich selbst liebe, dann schlägt der Funke auf den Gast über. Da braucht es keine Dogmen, sondern nur Begeisterung. In unserem großen Menü haben wir neun Weine in der Begleitung – alle bio, vier darunter biodynamisch. Aber das Einzige, was zählt: Es sind toll gemachte Weine von herausragenden Winzerinnen und Winzern.

Du bist seit knapp vier Jahren Sommelier im Mühltalhof und hast in dieser Zeit die Weinkarte stetig erweitert und ausgebaut…
DANIEL SCHICKER: … und sie ist noch immer nicht fertig. Das darf eine Weinkarte aber auch niemals sein. Jedes Jahr tut sich viel, man muss am Ball bleiben. Es gibt immer wieder Trends und denen darf man auch ruhig folgen – selbst, wenn man weiß, dass es nicht von Ewigkeit ist. Allerdings stur absolut jedem Trend nachzulaufen, halte ich für falsch. Ich konnte hier mit meiner Arbeit auf einer super Basis aufbauen. Der Weinkeller war damals mit rund 200 Positionen gut bestückt, der Fokus lag auf Natural und Österreich. Beides wollte ich aber aufbrechen und das Spektrum erweitern. Eine Weinkarte darf aus meiner Sicht nie einseitig sein. Die richtige Balance ist wichtig. Auch was die Internationalität betrifft. Wir haben uns hier einen schönen Frankreich Schwerpunkt aufgebaut und auch viel Spannendes aus der Champagne auf der Karte. In Zukunft wird es verstärkt in Richtung Jahrgangstiefe gehen. Das braucht naturgemäß Zeit.

Du hast mit dem Certified Sommelier beim Court of Master Sommeliers eine der höchsten Ausbildungen der Branche absolviert. Wie wichtig sind Ausbildungen wie diese für die tatsächliche Arbeit?
DANIEL SCHICKER: Sich Fachwissen anzueignen, auch in der notwendigen Tiefe, ist zunächst immer etwas Gutes und Sinnvolles. In der direkten Arbeit am Gast spielt das jedoch nur in den wenigsten Fällen eine Rolle. Ausbildungen und auch Auszeichnungen erhöhen aber den Marktwert und davon profitieren am Ende alle. Deshalb empfinde ich es schon als wichtig. Mein Wissen kann ich zudem an meine Kolleginnen und Kollegen weitergeben und auf die Arbeit im Keller, was vor allem dem Wert der Weine in Zukunft betrifft, kann das Fachwissen natürlich enorme Auswirkungen haben.

Wie ist die Rolle des Sommeliers bei euch im Restaurant definiert?
DANIEL SCHICKER: Ich sehe die Position des Sommeliers vor allem in der Rolle eines Gastgebers. Im Service sind wir zu Viert, da muss sowieso jeder mit anpacken. Einen eigenen Sommelier, der nur für die Kellerarbeit zuständig ist, kann sich heute kaum mehr ein Betrieb leisten. Und vermutlich ist das auch gar nicht mehr zeitgemäß.

In welche Richtung bewegt sich die Branche?
DANIEL SCHICKER: Was auffällt: Es gibt in unserer Zunft kaum mehr alte Granden. Die fehlen tatsächlich als Vorbilder. Sommeliers wie zum Beispiel ein Adi Schmid aus dem Steirereck waren Legenden, mit denen man gerne einmal gemeinsam gearbeitet hätte. Heute ist es so, dass die Jungen von den Jungen lernen. Das schafft einerseits viele Freiräume, andererseits fehlt vielleicht da oder dort eine Verwurzelung, also eine tiefergehende Philosophie.

Du bist selbst erst 27 Jahre jung. Was empfiehlst du dem Nachwuchs im Service?
DANIEL SCHICKER: Lasst euch nie den Spaß an der Arbeit nehmen. Wir haben das Glück in einer Branche tätig zu sein, die jenen die besten Chancen bietet, die mit Leidenschaft ans Werk gehen. Trinkt viel und tut dies am besten gemeinsam mit den Winzerinnen und Winzern. Und ganz wichtig: Macht keine Kompromisse bei der Wahl eures Arbeitsplatzes. Man muss den Spirit eines Lokas spüren und auch leben, dann geht es fast wie von alleine.

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