Tinnacher: Warum Hefe in den Mägen von Insekten überwintert
Spontangärung ist für uns selbstverständlich. Möglich ist sie aber nur, wenn wir achtsam mit den Kleinstlebewesen im Weingarten umgehen.
Viel wird über das Terroir gesprochen, über den Boden, das Klima, den Einfluss des Winzers und natürlich gehört auch die Keller- und Weinkultur dazu. Worüber man noch wenig weiß, was aber sehr spannend ist, sind die Kleinlebewesen – das sogenannte Mikrobiom. Eine Grazer Forscherin beschäftigt sich intensiv mit dem Thema. Sie hat erforscht, dass zigtausende Mikroorganismen auf den Pflanzen und auch auf der Traube leben. Man kennt das vom Darmmikrobiom, der Darmflora des Menschen.
Das Mikrobiom der Weinreben ändert sich je nach Standort. Entscheidend ist, ob eine biologische Bearbeitung stattfindet oder nicht. Man hat erforscht, dass auf biologisch bewirtschafteten Trauben um den Faktor 10.000 mehr verschiedene Mikroorganismen zu finden sind, die zwischen den Zellen leben. Momentan ist man dabei, zu erfassen, dass diese Kleinstlebewesen einen Geschmack haben und damit auch zur Einzigartigkeit des Standortes und zum Terroir beitragen. Deswegen ist es umso wichtiger, als Winzer auf die Natur zu achten und nichts als gegeben hinzunehmen.
Wie Hefen mit Insekten in Symbiose leben
Dazu eine passende Anekdote. Ich habe auf der BOKU in Wien studiert. Damals haben wir gelernt, dass die Hefen vom Weinberg in den Keller mitkommen, sich im Saft vermehren und dann die Spontangärung beginnt. Draußen überwintert die Hefe in der Rinde oder im Boden. Vor Kurzem kommt mein Partner Christoph Neumeister von einem Kurs nach Hause und fragt: Wie geht das mit der Spontangärung? Dazu muss man sagen, dass ich seit Jahren mit 100 Prozent Spontangärung arbeite. Ich habe ihm daher selbstbewusst geantwortet: Die Hefe kommt vom Weingarten mit, nach der Vermehrungsphase startet die Gärung und das funktioniert dann einfach.
Er fragt dann: Und wo überwintert die Hefe? Ich darauf: Im Boden.
Er: Nein, sie überwintert in den Mägen der Insekten. Vor allem in Wespen.
Bisher dachten wir, dass sie Schädlinge sind, die uns die Trauben im Herbst anfressen – nun sind sie plötzlich essentiell für unsere Art, Wein zu machen. Das heißt: Nur wenn wir eine Vielfalt im Weinberg haben bei den Kleinstlebewesen, funktioniert auch die Spontangärung. Wenn man aber zu stark in das Gefüge des Weingartens eingreift, Insekten sterben und das Mikrobiom auf den Trauben verarmt, verändert das auch den Geschmack des Weines.
Zusammenfassend kann man sagen: Ich weiß, dass ich nichts weiß. So viele Zusammenhänge in der Natur sind noch unerforscht. Erst schrittweise erfahren wir, was alles dahintersteckt. Wir sollten also sorgsam mit der Natur umgehen.
*Aufgezeichnet von unserem Autor Werner Ringhofer