Uibel: Es ist ein Spiel auf Zeit
Kein Naturwein ist unter einem Jahr ausgegoren. Dennoch boomt auch in unserer Branche das Thema Jungwein. Warum die Eile? Kommentar von Leo Uibel.
Qualität braucht Zeit. Das mag abgedroschen klingen, trifft mein Anliegen aber auf den Punkt: Wein muss reifen. Der Druck aus Handel und Gastronomie lässt uns das nur immer wieder mal vergessen. Wie ist es sonst möglich, dass bereits die ersten Naturweine Jahrgang 2020 bereits im März oder April 2021 im Verkauf waren?
Gerade in unserer Szene ist kein Wein unter einem Jahr fertig. Was fehlt, ist eine entsprechende Weinkultur, die Wert auf Jahrgangstiefe legt. Stattdessen streben wir nach Basisweinen und verpassen es dadurch, die richtigen Jahrgänge ins Regal und auf die Weinkarten zu bringen. Dabei kommt das Thema Reserven ja nicht von irgendwo her.
Es impliziert, dass der Wein punktgenau auf den Markt gebracht wird. Auch wenn mir natürlich klar ist, dass nicht jedes Weingut und jede Gastronomie ausreichend Lagerplatz zur Verfügung hat, um Weine reifen zu lassen: Aber einenWein mit nur acht Monaten Reifezeit zu füllen, hieße für mich, ihn roh rauszugeben. Und das widerspricht meinem Qualitätsverständnis.
Runter vom Gas
Durch den biologischen bzw. biodynamischen Anbau legen wir bereits im Weingarten den Grundstein für eine tolle Gesamtstruktur an Aromen und reifen Gerbstoffen, die es dem Wein ermöglicht, lange zu reifen. Das passiert bei uns in erster Linie im Fass.
Bei Weißweinen sind es bis zu zwei Jahren, wobei wir danach auch noch die einzelnen Fässer zusammenwachsen lassen. Anschließend reift der Wein mindestens ein weiteres Dreivierteljahr bis Jahr in der Flasche. Wir arbeiten dabei nicht nach Schema F, sondern entscheiden individuell: Je mehr Potential ein Jahrgang mitbringt, desto länger lassen wir ihn liegen. Wobei ich überzeugt bin, dass ein gesunder, vitaler Weingarten auch in kritischen Jahren ein gutes Basismaterial hervorbringt.
Das beste Beispiel dafür ist für mich der Jahrgang 2014, den viele bereits damals abgeschrieben hatten. Wir aber haben nichts anderes gemacht, also sonst auch: Wir haben der Natur vertraut und ihr Zeit gegeben. Der Wein bereitet noch heute Trinkspaß. Woran sich zeigt: Vorschnelles Handeln war noch nie ein guter Rat. Und wird es auch in Zukunft nicht sein.
*Aufgezeichnet von unserer Autorin Sonja Planeta