Katharina Tinnacher setzt die mehr als 250-jährige Geschichte ihres Weinguts fort. Ist sie in einem Restaurant zu Gast, erlebt sie sehr oft ein Perfect Match. Vor allem am Land, „dort wachsen Küche und Keller quasi zusammen“.
Flasche oder glasweise Begleitung?
KATHARINA TINNACHER: Am liebsten beides. Ich mag es schon, die Weinkarte durchzuschmökern und wenn da schöne Weine sind, bestellen wir immer eine Flasche. Aber es gibt auch Restaurants, wo es eine Carte Blanche gibt oder wo man ein mehrgängiges Menü genießt – dann finde ich es immer wichtig, eine Weinbegleitung zu nehmen. Es ist einfach spannend, zu sehen, was sich der Sommelier gedacht hat und wie die Kombination schmeckt. Wenn man zum Döllerer oder ins Steirereck geht, wäre ein Essen ohne Weinbegleitung nur das halbe Vergnügen.
Was erwartest du von einem Sommelier?
KATHARINA TINNACHER: Ein guter Sommelier kennt den Inhalt seines Kellers und er weiß auch, wie der Charakter der einzelnen Weine ist und wie sie sich gerade präsentieren. Ein richtig guter Sommelier ist auch jemand, der gut zuhören kann und ein guter Gesprächspartner ist. Nur im Gespräch kann er herausfinden, was dem Gast Freude bereitet und welche seiner Positionen zu diesem Moment passen würde. Er bringt dann etwas, was die Erwartung erfüllt und vielleicht trotzdem eine Überraschung ist.
Eine spannende Weinkarte hat…?
KATHARINA TINNACHER: …eine Tiefe und eine Ausgewogenheit. Es geht nicht darum, dass alle Weinregionen und alle Stile abgedeckt sind. Wenn eine Weinkarte ein bestimmtes Thema hat, dann kann das wunderbar sein, trotzdem muss sie eine Tiefe haben. Zum Beispiel Jahrgangsvertikalen. Und ich finde es auch spannender, wenn die Karte eine Ausgewogenheit betreffend der Charakteristik der Weine hat. Ich selbst trinke die komplette Bandbreite von traditionell, klassisch, gereift über alternativ, bis spannend und jung. In der Südsteiermark ist dazu – eh klar – die Weinkarte von Christian Zach in der Weinbank ideal. Er hat auch nicht jedes Weinbaugebiet, zum Beispiel ist Bordeaux nicht vertreten. Aber bei den Weinbaugebieten, die er führt, hat er eine Tiefe – das macht wirklich Freude. International gesehen hat Stéphan Gass von der Schwarzwaldstube Traube Tonbach eine fantastische Weinkarte, Michael Bauer in der Burg Vital verwaltet ebenso eine unglaubliche Auswahl. Vor Kurzem war ich auch bei Heinz Velich, er hat mit seiner Frau ein Hotel aufgemacht. Die Weinkarte ist kleiner, aber so fein und ausgesucht – wenn ich dort Urlaub machen würde, könnte ich mir jeden Tag etwas finden.
Wo hattest du ein Perfect Match?
KATHARINA TINNACHER: Mir passiert das sehr oft, vor allem in Restaurants am Land. In Weinregionen, wo die Köche und die Sommeliers quasi Tür an Tür mit den Weinbauern leben, hat man das Gefühl, dass die Küche und der Wein zusammenwachsen. Wer im Landhaus Bacher zu einem Marillenknödel einen gereiften Kellerberg getrunken hat, weiß, was ich meine. Eines meiner Lieblingslokale ist Damir e Ornella in Novigrad. Die haben nicht einmal eine Weinkarte, aber einen unglaublichen Keller mit istrischen Weinen. Wenn du zu einem Malvazija von Clai einen rohen Fisch, die Bitterkeit des Olivenöls und die Cremigkeit einer Polenta genießt, hast du eine perfekte Kombination.
Gibt es ein perfektes Glas für Wein?
KATHARINA TINNACHER: Ich glaube nicht. Ich habe einmal von Maximilian Riedel ein überdimensionales Weinglas als Geschenk bekommen. Das nehme ich sehr gerne, um im Keller meine Weine zu kosten. Es fächert die Weine richtig auf und zeigt alle Nuancen, lässt dadurch einen Blick in die Zukunft zu. Aber es ist ein Glas, das mir im Restaurant keine Freude bereiten würde. Wenn ein Wein dekantiert wird, könnte das im Glas zu viel sein bzw. zeigt es Details, die man zwar als Winzer im Keller kosten will, beim Genießen aber nicht das Thema sein sollten. Im Weingut verwenden wir übrigens das Gabriel-Glas für sehr viele Weine und sehr gerne Burgundergläser von Riedel.
In den Wein eintauchen
Über welchen Winzer freust du dich besonders, wenn du seinen Namen in einer Weinkarte entdeckst?
KATHARINA TINNACHER: Wenn ich international unterwegs bin, freue ich mich grundsätzlich immer, wenn ich handwerkliche, österreichische Weine finde. Auch von kleinen Weingütern, etwa von Hannes Schuster. Ich trinke wenig Rotwein, aber wenn ich solche Weine sehe, ist das immer fein. Grenzenlos ist die Freude natürlich, wenn ich steirische Weine entdecke.
Weinbewertungen bedeuten für mich…?
KATHARINA TINNACHER: Grundsätzlich ist es schön, dass es Menschen gibt, die sich intensiv mit Weinen auseinandersetzen, diese auch in ein Schema bringen und anderen Orientierung geben. Das hat seine Berechtigung und richtige gute Weinkritiker haben einen unglaublichen Gaumen und optimalerweise bieten sie dem Weinfreund einmal eine Neuentdeckung oder Horizonterweiterung. Ich finde es aber schade, wenn es nur um die Punkteanzahl geht. Mir sind viel lieber die Weinbeschreibungen, bei denen man auch die Geschichte hinter dem Wein erzählt, das ist für mich ein Mehrwert. Leider gibt es nur wenige, die das tun. Ich wünsche mir mehr Menschen, die in den Wein eintauchen.
Schnaps oder Kaffee zum Abschluss?
KATHARINA TINNACHER: Ich trinke gerne einen Espresso, aber ich muss eine Lanze für den Schnaps brechen. Mein Vater hat vor Kurzem seine neue Edelbrandkollektion namens „Steinbach 12“ lanciert. Es sind mehrjährig gereifte Brände aus unserem Streuobst. Das ist schon sehr spannend, deshalb tendiere ich dazu, einen Edelbrand zu bestellen, einem Rochelt kann ich kaum widerstehen. Ich rieche gerne ins Glas und koste.