„Mich hat es immer interessiert wie der Wein schmeckt, der in den Weingärten rund um mein Gasthaus wächst“, sagt Mike Nährer. So einfach war das aber gar nicht herauszufinden. Denn kaum jemand aus dem knapp 200 Einwohner kleinen Örtchen Rassing im südlichsten Traisental produzierte den Wein noch selbst. Manche Gärten sind nicht einmal mehr bewirtschaftet worden.
Mit zwei Freunden, dem Winzer Tom Dockner und Jürgen Leitameyer (Produktionsleiter im Weingut Jurtschitsch), hat Nährer diese Weingärten genauer unter die Lupe genommen – alles alte Bestände, gemischt gesetzt. „Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren intensiv mit Wein und bin für mich draufgekommen, dass jene Weine Unikate sind, die dem Terroir einer Region zuordenbar sind und mit vielen kleinen Bausteinen zu tun haben. Und plötzlich erkenne ich: diese Bausteine liegen vor meiner Haustüre.“
2019 konnte Nährer die ersten Gärten pachten und machte sich mit Hilfe von Dockner und Leitameyer daran, die ersten Weine zu produzieren. „Ich habe mich in die Materie vertieft, viel gelesen und das Gespräch mit Winzerinnen und Winzern gesucht“, erzählt Mike. Schon die ersten Ergebnisse zeigten, in welche Richtung es geht: leicht und trinkig, charakterstark und facettenreich, aber nie opulent. Das ist auch dem Traisental mit seiner kühlen Klimatik von den Alpen und den kalkreichen Böden geschuldet.
2022 ist der erste Jahrgang, den Nährer in Eigenregie als Weinbauer produziert. Inzwischen bewirtschaftet er 0,75 Hektar selbst, weitere Weingärten werden nach seinen Vorgaben bewirtschaftet. Das bedeutet Handarbeit, Laubarbeit und selbstverständlich den Verzicht auf Herbizide, Pestizide und Fungizide. So entstehen präzise Low-Intervention Weine.
Mindestens ein Jahr Fasslagerung im gebrauchten oder neuen Holz (Mostviertler Fassbinder Schön und Stockinger), mindestens ein halbes Jahr in der Flasche. Ungeschönt und unfiltriert. Die Stilistik: Handwerkliche Weine mit ordentlich Trinkfluss, feiner Mineralik, vielschichtig und tiefsinnig. Nicht immer filigran, sondern im besten Sinne bäuerlich. Weine, die ihre Mitte gefunden haben und eine innere Ruhe ausstrahlen. Ganz bewusst sagt Nährer: „In der Freaky-Abteilung bin ich nicht zu finden.“
Die Weine – erhältlich in sechs Stilistiken sowie einem Rosé – tragen übrigens besondere Namen, die aus dem Althochdeutschen stammen – eine Sprache, die hier im Traisental vor etwa tausend Jahren noch gesprochen wurde. Der 2019er-Jahrgang beginnt mit „A“ ([ågez] VERGESSENHEIT), 2020 mit „B“ ([bilithi] UNBESCHWERTHEIT), 2021 mit „C“ ([cliton] STEINKLEE) und so weiter. „Die Weine sind so unterschiedlich, mit ihnen kann man ein ganzes Menü begleiten, ohne dass es langweilig wird.“
Ab und an kommen neue Weingärten dazu. Es sind jene, die keiner mehr haben will oder Rebsorten, die der Markt nicht braucht. „Genau da beginnt es für uns spannend zu werden“, sagt Mike. „Vergessene Gärten“ – so hat Nährer sein Label getauft. Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.